Karmelitenkloster St. Theresia München

Verwandlung oder  Umwandlung


Liebe Leserinnen und Leser,
„ Am Aschermittwoch ist alles vorbei“. So singen die Narren jedes Jahr ausgelassen.

 Dieser berühmte Schlager bringt zum Ausdruck, was viele Christen über die Fastenzeit denken. Anders als im Advent und an Weihnachten, wo die Freude im Mittelpunkt steht, wird die Fastenzeit mit Mühsal und Anstrengung in Verbindung gebracht. Eine Zeit zur Umkehr, vom Überfluss zum Notwendigen; 40 Tage ohne…; eine Zeit des Kampfes mit Kurswechsel: Stichwort „Veränderung“. Mag sein, dass all das die Österliche Bußzeit ausmacht,  aber ich persönlich mag dieses Wort Veränderung nicht gern, vor allem wenn es um Spiritualität geht. Mir gefällt das Wort „ Verwandlung“ oder „Umwandlung“ besser.

Warum „Verwandlung“, „Umwandlung“, und nicht „Veränderung“?
Im Begriff „Verändern“ herrscht oft ein übertriebener Optimismus vor; Luftveränderung, Ortsveränderung, Veränderung der Verhältnisse, so als ob man alles ändern oder verändern könnte. Zugleich hat „Verändern“ oft etwas Gewaltsames an sich: Ich möchte (man möchte) alles anders machen, weil das Bestehende nicht gut ist. Ich möchte mich selbst verändern, einen anderen aus mir machen, weil ich so, wie ich bin, nicht gut bin.
„Verwandeln“ dagegen ist wesentlich sanfter.

„Verwandeln“ würde bedeuten, dass zunächst alles gut ist, was ist, dass aber vieles unser Wesen und unsere Wahrheit verstellt. „Verwandeln“ bestünde dann darin, das Urbild aus dem Gestrüpp der Bilder herauszubilden  und das Eigentliche aus dem Uneigentlichen herauswachsen zu lassen.

„Verwandlung“ setzt eine absolute Zustimmung zum Sein voraus: Alles darf sein, alles hat einen Sinn, ich muss nur erforschen, was für einen Sinn etwa meine Leidenschaften, meine Krankheiten, meine Konflikte, meine Probleme haben.

„Verwandlung“ erscheint so als die typisch christliche Weise der Veränderung. In der Verwandlung ist der Aspekt der Gnade präsent: Gott selbst verwandelt den Menschen.

Johannes vom Kreuz, der Meister der Seelenführung schreibt, dass Gott selber den Umformungsprozess des Menschen vorantreibt und ihn auch vollenden wird. Der Schöpfer bleibt dem Menschen treu als sein Vollender. Doch er lädt ihn auch ein, an diesem Vollendungsprozess – seiner selbst, des Mitmenschen, der Kirche, der Gesellschaft, der Schöpfung – aktiv mitzuwirken. Die Mittel dazu, das dafür nötige „Werkzeug“, „legt er ihm in die Hände, und sagt, wie es zu gebrauchen sei, und er es mit ihm zusammen gebraucht“ (Geistlicher Gesang B 38,4).

Das wurde in der Menschwerdung seines Sohnes offenbar, in der er unsere menschliche Natur verwandelt und vergöttlicht hat.
„Verwandlung“ ist auch der Schlüsselbegriff für eine Spiritualität, die nicht versucht, alle Fehler und Schwächen „in den Griff zu bekommen“ und möglichst alle Sünden auszumerzen.

In dieser Spiritualität wird vielmehr darauf vertraut, dass alles in uns einen Sinn hat, selbst unsere Sünden, und dass Gott alles in uns verwandeln möchte, damit sein Licht und seine Herrlichkeit immer mehr in uns aufscheinen.

Es ist eine Spiritualität, die uns spüren lässt, dass wir nicht alles selber machen müssen, dass nicht alles, was bisher war, falsch war, sondern dass eben Gott selbst uns wandeln will durch alle Krisen und Konflikte hindurch, und diese deshalb einen Sinn haben können.

Es ist eine Spiritualität, die uns erkennen lässt, dass auch die Krisen, in die wir geraten waren, eine Chance waren, durch die Gott die neue und wahre Gestalt in uns hervorrufen, hervorlocken möchte.
„Verwandlung“ meint, dass ich nichts in mir ausschließe, sondern dass ich mit meinen Leidenschaften, Krankheiten, Konflikten, Problemen, ja mit meinen Sünden „ins Gespräch komme“. Dann werden sie mich zu einem Schatz führen, der in mir verborgen liegt, zu neuen Lebensmöglichkeiten, zu einer neuen Qualität, die ich bisher unterdrückt habe.
Das verlangt aber ein Umdenken in der Spiritualität! Unsere Spiritualität ist zu sehr darauf aus, zu unterdrücken, zu beherrschen, in den Griff zu bekommen, zu beseitigen, auszumerzen. Wir setzen in unserer Askese zu sehr unseren Willen ein, der kraftvoll und gewaltsam etwas überwindet oder vernichtet.
In der Verwandlung darf alles sein, da darf etwas wachsen, aufblühen, neu geboren werden, wie wir im Gleichnis vom Unkraut und dem Weizen lesen (Mt 13, 24-30).

Diese Spiritualität der Verwandlung geht davon aus, dass alles in uns einen tiefen Sinn hat, dass in uns, auch wenn es scheinbar noch so dunkel und böse, noch so krank und schwach ist, verwandelt werden kann, dass Gottes Licht gerade in unseren Schwächen und Wunden aufscheinen möchte.
Auch an Jesu verklärtem Leib waren die Wunden nicht verschwunden, sie wurden mitverklärt!

In dieser Österlichen Bußzeit wünsche ich uns allen die Offenheit und die Bereitschaft, uns verwandeln zu lassen.
Eine gesegnete Fastenzeit und Frohe Ostern wünsche ich Ihnen allen im Namen des gesamten Konvents
 
Ihr P. Raoul Kiyangi OCD. Prior
Pfarrvikar