Verwandlung oder Umwandlung
Liebe Leserinnen und Leser,
„ Am Aschermittwoch ist alles vorbei“. So singen die Narren
jedes Jahr ausgelassen.
Dieser berühmte Schlager bringt zum Ausdruck, was
viele Christen über die Fastenzeit denken. Anders als im
Advent und an Weihnachten, wo die Freude im
Mittelpunkt steht, wird die Fastenzeit mit Mühsal
und Anstrengung in Verbindung gebracht. Eine Zeit zur
Umkehr, vom Überfluss zum Notwendigen; 40 Tage ohne…; eine
Zeit des Kampfes mit Kurswechsel: Stichwort „Veränderung“.
Mag sein, dass all das die Österliche Bußzeit
ausmacht, aber ich persönlich mag dieses Wort
Veränderung nicht gern, vor allem wenn es um Spiritualität
geht. Mir gefällt das Wort „ Verwandlung“ oder „Umwandlung“
besser.
Warum „Verwandlung“, „Umwandlung“, und nicht „Veränderung“?
Im Begriff „Verändern“ herrscht oft ein übertriebener
Optimismus vor; Luftveränderung, Ortsveränderung,
Veränderung der Verhältnisse, so als ob man alles ändern
oder verändern könnte. Zugleich hat „Verändern“ oft etwas
Gewaltsames an sich: Ich möchte (man möchte) alles anders
machen, weil das Bestehende nicht gut ist. Ich möchte mich
selbst verändern, einen anderen aus mir machen, weil ich so,
wie ich bin, nicht gut bin.
„Verwandeln“ dagegen ist wesentlich sanfter.
„Verwandeln“ würde bedeuten, dass zunächst alles gut ist, was ist, dass aber vieles unser Wesen und unsere Wahrheit verstellt. „Verwandeln“ bestünde dann darin, das Urbild aus dem Gestrüpp der Bilder herauszubilden und das Eigentliche aus dem Uneigentlichen herauswachsen zu lassen.
„Verwandlung“ setzt eine absolute Zustimmung zum Sein voraus: Alles darf sein, alles hat einen Sinn, ich muss nur erforschen, was für einen Sinn etwa meine Leidenschaften, meine Krankheiten, meine Konflikte, meine Probleme haben.
„Verwandlung“ erscheint so als die typisch christliche
Weise der Veränderung. In der Verwandlung ist der Aspekt der
Gnade präsent: Gott selbst verwandelt den Menschen.
Das wurde in der Menschwerdung seines Sohnes offenbar, in der er unsere menschliche Natur verwandelt und vergöttlicht hat.
„Verwandlung“ ist auch der Schlüsselbegriff für eine Spiritualität, die nicht versucht, alle Fehler und Schwächen „in den Griff zu bekommen“ und möglichst alle Sünden auszumerzen.
In dieser Spiritualität wird vielmehr darauf vertraut, dass alles in uns einen Sinn hat, selbst unsere Sünden, und dass Gott alles in uns verwandeln möchte, damit sein Licht und seine Herrlichkeit immer mehr in uns aufscheinen.
Es ist eine Spiritualität, die uns spüren lässt, dass wir nicht alles selber machen müssen, dass nicht alles, was bisher war, falsch war, sondern dass eben Gott selbst uns wandeln will durch alle Krisen und Konflikte hindurch, und diese deshalb einen Sinn haben können.
Es ist eine Spiritualität, die uns erkennen lässt, dass auch die Krisen, in die wir geraten waren, eine Chance waren, durch die Gott die neue und wahre Gestalt in uns hervorrufen, hervorlocken möchte.
„Verwandlung“ meint, dass ich nichts in mir ausschließe, sondern dass ich mit meinen Leidenschaften, Krankheiten, Konflikten, Problemen, ja mit meinen Sünden „ins Gespräch komme“. Dann werden sie mich zu einem Schatz führen, der in mir verborgen liegt, zu neuen Lebensmöglichkeiten, zu einer neuen Qualität, die ich bisher unterdrückt habe.
In der Verwandlung darf alles sein, da darf etwas wachsen, aufblühen, neu geboren werden, wie wir im Gleichnis vom Unkraut und dem Weizen lesen (Mt 13, 24-30).
Diese Spiritualität der Verwandlung geht davon aus, dass alles in uns einen tiefen Sinn hat, dass in uns, auch wenn es scheinbar noch so dunkel und böse, noch so krank und schwach ist, verwandelt werden kann, dass Gottes Licht gerade in unseren Schwächen und Wunden aufscheinen möchte.
Auch an Jesu verklärtem Leib waren die Wunden nicht verschwunden, sie wurden mitverklärt!
In dieser Österlichen Bußzeit wünsche ich uns allen die Offenheit und die Bereitschaft, uns verwandeln zu lassen.
Eine gesegnete Fastenzeit und Frohe Ostern wünsche ich Ihnen allen im Namen des gesamten Konvents
Ihr P. Raoul Kiyangi OCD. Prior
Pfarrvikar